Vielfalt als Erfolgsfaktor: Impulse für eine nachhaltige und gesunde Ernährung
Symposium des f.eh diskutierte Wert der Biodiversität für das Ernährungssystem
Wien, 17. Oktober 2025 (aiz.info). - Eine hohe Biodiversität ist die Grundlage unseres Lebens und einer abwechslungsreichen Ernährung, die die Gesundheit fördert. Für eine bedarfsgerechte Ernährung ist es zudem wesentlich, aus dem vielfältigen Angebot mit unterschiedlichen Lebensmitteln, Rezepturen und Portionsgrößen, den eigenen Bedürfnissen entsprechend auszuwählen. Zielkonflikte wie steigende Kosten gilt es aufzulösen. "Das forum. ernährung heute will die Diskussion über den Stellenwert der Vielfalt für den Wandel im Ernährungssystem anstoßen. Jeder und jede Einzelne hat Eigen- und Solidarverantwortung, diesen Wandel sinnvoll zu gestalten. Die Konsumenten brauchen dafür jedoch sichere und wissenschaftlich fundierte Fakten", betonte die stellvertretende Obfrau des f.eh, Petra Burger, beim 11. Symposium des forum. ernährung heute (f.eh).
Geschäftsführerin Marlies Gruber nannte zwei wichtige Punkte für eine steigende Vielfalt in der Ernährung: "Es braucht eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung in den Schulen, die Wissen und Kompetenzen vermittelt, um die Komplexität bewältigen, die Vielfalt nutzen und richtige Entscheidungen treffen zu können. Sonst droht eine Überforderung. Zudem muss es ein Umdenken geben weg vom Verzichtsgedanken hin zur Freude an der Vielfalt. Nähert man sich mit Genuss spielerisch der Abwechslung am Teller an, ergibt sich ein gesundes Essverhalten nahezu automatisch."
Das diesjährige Symposium des f.eh beleuchtete zum Thema "Natur - Mensch - Gesundheit: Das unterschätzte Potenzial der Vielfalt" den Nutzen der Vielfalt in unserer Ernährung und für das gesamte Ernährungssystem sowie Wege zu mehr Vielfalt am Markt und auf den Tellern. Eine wichtige Stellschraube für eine Adaption des Ernährungssystems ist eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung, wie auch der Bundesminister für Bildung, Christoph Wiederkehr, in seinen Grußworten hervorhob: "In der Schule sollten Kinder für das Leben vorbereitet werden. Daher ist es mir wichtig, dass künftig in den Schulen in Österreich die Themen Gesundheit und Ernährung weiter an Bedeutung gewinnen und die Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen gut ausgebildet werden."
Biodiversität und Gesundheit sind verbunden
Nur etwa 10% des Risikos für Erkrankungen sind durch Genetik erklärbar, 90% werden durch die Umwelt, unsere Lebensräume, unseren Lebensstil, soziale Bedingungen und Gewohnheiten bedingt. Verlorene Biodiversität zählt dabei neben den Klimaveränderungen zu den aktuell größten Herausforderungen für ein gesundes Leben. Denn, das betonte Martin Grassberger von der Uni Wien und Sigmund Freud PrivatUniversität eingangs sehr eindrücklich: Der Mensch ist nicht getrennt von der Natur, sondern Teil von ihr und damit Teil eines komplexen adaptiven Systems. Solche Systeme kennzeichnen sich u.a. dadurch, dass sie selbstorganisierend und nicht determiniert, redundant und robust, resilient und anpassungsfähig sind und sich nicht linear entwickeln. Der Mensch wiederum funktioniert selbst als ein komplexes, selbstregulierendes Gesamtsystem, wie schon das Nerven-, Immun-, Verdauungs- und Herz-Kreislauf-System vermuten lassen. Auch das Mikrobiom in uns zählt zu den komplexen adaptiven Systemen. Was all diesen Systemen gemein ist: Sie lassen sich nicht durch ein reduktionistisches Denken beeinflussen. Wir können nur Bedingungen schaffen, die den Systemen gefallen und dem Leben förderlich sind.
Für die Ernährung bedeutet das zuallererst, für einen lebendigen und biodiversen Boden zu sorgen. Er ist die Grundlage für die Versorgung von Pflanzen, Tieren und Menschen mit relevanten Nährstoffen und Reservoir für die mikrobielle Vielfalt. Auch Gabriele Berg von der TU Graz appelliert, das Bodenmikrobiom sowie die Biodiversität wiederherzustellen. Damit geht auch die Vielfalt des Pflanzen-Mikrobioms einher. Dieses mikrobielle Erbe ist nicht nur von Art zu Art, sondern auch von Sorte zu Sorte und je nach Standort und Region unterschiedlich. So enthält zwar jeder Apfel etwa 100 Millionen Bakterien und Probiotika, aber Braeburn- und Gala-Äpfel beispielsweise bringen eine ganz andere Komposition dieser Mikroben mit sich. Pflanzliche Vielfalt auf dem Teller begünstigt demnach die Vielfalt der guten Bakterien in unserem Mikrobiom im Darm. Eine hohe Diversität ist wiederum mit psychischem und körperlichem Wohlbefinden verbunden.
Ein "One Size Fits All" gibt es jedoch nicht, sondern jeder Mensch hat je nach Lebensphase, körperlichen Voraussetzungen und klinischen Parametern wie Blutdruck oder Knochendichte, Genetik und Mikrobiom einen unterschiedlichen Bedarf. Dieser Herausforderung stellt sich die Personalisierte Ernährung. Katja Lotz von der DHBW Heilbronn präsentierte dazu Ansatzpunkte und räumte der Digitalisierung große Chancen ein, die zukünftig bei der Entwicklung individueller Lösung durch personalisierte Empfehlungen die gesunden Lebensjahre maximieren könnte.
Was bedeutet vielfältig essen?
Als Orientierungsgröße für die Stärkung des Darmmikrobioms sowie die Aufnahme von gesundheitsförderlichen Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen kursiert das Motto "30 Pflanzen pro Woche", wie Katharina Seiser und Theres Rathmanner erläuterten. Dazu zählen neben Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide auch Kräuter, Samen und Nüsse, Salate, Sprossen, Pilze, fermentierte Produkte sowie Kaffee, Tee und Schokolade mit hohem Kakaoanteil.
Verarbeitung spielt für die Vielfalt am Teller - ob für pflanzliche oder tierische Produkte - eine wesentliche Rolle. Ihre Funktion ist es schließlich, Rohstoffe in Lebensmittel umzuwandeln, die mit Nährstoffen und Energie versorgen, gut schmecken und bequem zu verwenden oder weiterzuverarbeiten sind, d.h. auch zu konservieren und lagern. Denn Verarbeitung beginnt bei der Ernte und hört oft erst in der eigenen Küche auf, so Henry Jäger von der BOKU University. Er erläuterte das Potenzial der Verarbeitung für die Vielfalt am Markt durch verschiedene Roh- und Inhaltstoffe, Rezepturen und Herstellungsverfahren. So lassen sich je nach Wahl unterschiedlichste Brotvarianten, Nudeln, Wurst- und Käsesorten oder Gemüse- und Obstprodukte herstellen und auch lagerfähig machen.
Vielfalt braucht und schafft Kompetenz
Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl von APEK-Consult erläuterte das Phänomen der Pseudovielfalt am Markt und beschäftigte sich mit der Ambivalenz der Vielfalt: Sie kann ermüden und überfordern, sie kann aber auch fruchtbar sein. Das ist der Fall, wenn das Angebot nur in Etappen vielfältiger wird und sich in eine bestehende Ordnung einfügt sowie mit einer gesteigerten Vielfalt keine Moralisierung einher geht. Dann kann Vielfalt Ausweichroutinen ermöglichen, die einen kompetenten und genussvollen Zugang zum Essen fördern. Sein Tenor: Vielfalt existiert nur, wenn das Verschiedene gekocht wird. Nicht zuletzt ist Vielfalt die Kunst, morgen anders zu kochen, ohne das Heute widerrufen zu müssen.
Über die Verantwortung der Hersteller, Gemeinschaftsverpfleger und Händler, die Orientierung an der Nachfrage, die steigenden Kosten durch mehr Vielfalt im Sortiment und nötige Kompetenzen seitens der Konsumenten diskutierten am Podium Stefan Schauer von Staud’s, Josef Braunshofer von Berglandmilch, Klaudia Atzmüller von Ja! Natürlich, Micaela Schantl von der AMA-Marketing, Helga Cvitkovich-Steiner von Gourmet und Gabriele Zgubic von der AK Wien. Sie betonte, dass eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung auch kostengünstig möglich ist. Dazu müssen jedoch entsprechende Kompetenzen in der Familie und in Schulen vermittelt werden, im Setting generell sowie über ein Schulfach Ernährungs- und Verbraucherbildung. Helga Cvitkovich-Steiner von Gourmet gab zu bedenken, dass Essen und insbesondere Lieblingsgerichte sowohl bei Schülern als auch bei Senioren Sicherheit vermitteln und ein Hinwenden zu Neuem für viele Menschen ein Verlassen der Komfortzone bedeutet. Vielfalt muss demnach mehrheitsfähig sein und leistbar bleiben. (Schluss)
Geschäftsführerin Marlies Gruber nannte zwei wichtige Punkte für eine steigende Vielfalt in der Ernährung: "Es braucht eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung in den Schulen, die Wissen und Kompetenzen vermittelt, um die Komplexität bewältigen, die Vielfalt nutzen und richtige Entscheidungen treffen zu können. Sonst droht eine Überforderung. Zudem muss es ein Umdenken geben weg vom Verzichtsgedanken hin zur Freude an der Vielfalt. Nähert man sich mit Genuss spielerisch der Abwechslung am Teller an, ergibt sich ein gesundes Essverhalten nahezu automatisch."
Das diesjährige Symposium des f.eh beleuchtete zum Thema "Natur - Mensch - Gesundheit: Das unterschätzte Potenzial der Vielfalt" den Nutzen der Vielfalt in unserer Ernährung und für das gesamte Ernährungssystem sowie Wege zu mehr Vielfalt am Markt und auf den Tellern. Eine wichtige Stellschraube für eine Adaption des Ernährungssystems ist eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung, wie auch der Bundesminister für Bildung, Christoph Wiederkehr, in seinen Grußworten hervorhob: "In der Schule sollten Kinder für das Leben vorbereitet werden. Daher ist es mir wichtig, dass künftig in den Schulen in Österreich die Themen Gesundheit und Ernährung weiter an Bedeutung gewinnen und die Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen gut ausgebildet werden."
Biodiversität und Gesundheit sind verbunden
Nur etwa 10% des Risikos für Erkrankungen sind durch Genetik erklärbar, 90% werden durch die Umwelt, unsere Lebensräume, unseren Lebensstil, soziale Bedingungen und Gewohnheiten bedingt. Verlorene Biodiversität zählt dabei neben den Klimaveränderungen zu den aktuell größten Herausforderungen für ein gesundes Leben. Denn, das betonte Martin Grassberger von der Uni Wien und Sigmund Freud PrivatUniversität eingangs sehr eindrücklich: Der Mensch ist nicht getrennt von der Natur, sondern Teil von ihr und damit Teil eines komplexen adaptiven Systems. Solche Systeme kennzeichnen sich u.a. dadurch, dass sie selbstorganisierend und nicht determiniert, redundant und robust, resilient und anpassungsfähig sind und sich nicht linear entwickeln. Der Mensch wiederum funktioniert selbst als ein komplexes, selbstregulierendes Gesamtsystem, wie schon das Nerven-, Immun-, Verdauungs- und Herz-Kreislauf-System vermuten lassen. Auch das Mikrobiom in uns zählt zu den komplexen adaptiven Systemen. Was all diesen Systemen gemein ist: Sie lassen sich nicht durch ein reduktionistisches Denken beeinflussen. Wir können nur Bedingungen schaffen, die den Systemen gefallen und dem Leben förderlich sind.
Für die Ernährung bedeutet das zuallererst, für einen lebendigen und biodiversen Boden zu sorgen. Er ist die Grundlage für die Versorgung von Pflanzen, Tieren und Menschen mit relevanten Nährstoffen und Reservoir für die mikrobielle Vielfalt. Auch Gabriele Berg von der TU Graz appelliert, das Bodenmikrobiom sowie die Biodiversität wiederherzustellen. Damit geht auch die Vielfalt des Pflanzen-Mikrobioms einher. Dieses mikrobielle Erbe ist nicht nur von Art zu Art, sondern auch von Sorte zu Sorte und je nach Standort und Region unterschiedlich. So enthält zwar jeder Apfel etwa 100 Millionen Bakterien und Probiotika, aber Braeburn- und Gala-Äpfel beispielsweise bringen eine ganz andere Komposition dieser Mikroben mit sich. Pflanzliche Vielfalt auf dem Teller begünstigt demnach die Vielfalt der guten Bakterien in unserem Mikrobiom im Darm. Eine hohe Diversität ist wiederum mit psychischem und körperlichem Wohlbefinden verbunden.
Ein "One Size Fits All" gibt es jedoch nicht, sondern jeder Mensch hat je nach Lebensphase, körperlichen Voraussetzungen und klinischen Parametern wie Blutdruck oder Knochendichte, Genetik und Mikrobiom einen unterschiedlichen Bedarf. Dieser Herausforderung stellt sich die Personalisierte Ernährung. Katja Lotz von der DHBW Heilbronn präsentierte dazu Ansatzpunkte und räumte der Digitalisierung große Chancen ein, die zukünftig bei der Entwicklung individueller Lösung durch personalisierte Empfehlungen die gesunden Lebensjahre maximieren könnte.
Was bedeutet vielfältig essen?
Als Orientierungsgröße für die Stärkung des Darmmikrobioms sowie die Aufnahme von gesundheitsförderlichen Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen kursiert das Motto "30 Pflanzen pro Woche", wie Katharina Seiser und Theres Rathmanner erläuterten. Dazu zählen neben Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide auch Kräuter, Samen und Nüsse, Salate, Sprossen, Pilze, fermentierte Produkte sowie Kaffee, Tee und Schokolade mit hohem Kakaoanteil.
Verarbeitung spielt für die Vielfalt am Teller - ob für pflanzliche oder tierische Produkte - eine wesentliche Rolle. Ihre Funktion ist es schließlich, Rohstoffe in Lebensmittel umzuwandeln, die mit Nährstoffen und Energie versorgen, gut schmecken und bequem zu verwenden oder weiterzuverarbeiten sind, d.h. auch zu konservieren und lagern. Denn Verarbeitung beginnt bei der Ernte und hört oft erst in der eigenen Küche auf, so Henry Jäger von der BOKU University. Er erläuterte das Potenzial der Verarbeitung für die Vielfalt am Markt durch verschiedene Roh- und Inhaltstoffe, Rezepturen und Herstellungsverfahren. So lassen sich je nach Wahl unterschiedlichste Brotvarianten, Nudeln, Wurst- und Käsesorten oder Gemüse- und Obstprodukte herstellen und auch lagerfähig machen.
Vielfalt braucht und schafft Kompetenz
Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl von APEK-Consult erläuterte das Phänomen der Pseudovielfalt am Markt und beschäftigte sich mit der Ambivalenz der Vielfalt: Sie kann ermüden und überfordern, sie kann aber auch fruchtbar sein. Das ist der Fall, wenn das Angebot nur in Etappen vielfältiger wird und sich in eine bestehende Ordnung einfügt sowie mit einer gesteigerten Vielfalt keine Moralisierung einher geht. Dann kann Vielfalt Ausweichroutinen ermöglichen, die einen kompetenten und genussvollen Zugang zum Essen fördern. Sein Tenor: Vielfalt existiert nur, wenn das Verschiedene gekocht wird. Nicht zuletzt ist Vielfalt die Kunst, morgen anders zu kochen, ohne das Heute widerrufen zu müssen.
Über die Verantwortung der Hersteller, Gemeinschaftsverpfleger und Händler, die Orientierung an der Nachfrage, die steigenden Kosten durch mehr Vielfalt im Sortiment und nötige Kompetenzen seitens der Konsumenten diskutierten am Podium Stefan Schauer von Staud’s, Josef Braunshofer von Berglandmilch, Klaudia Atzmüller von Ja! Natürlich, Micaela Schantl von der AMA-Marketing, Helga Cvitkovich-Steiner von Gourmet und Gabriele Zgubic von der AK Wien. Sie betonte, dass eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung auch kostengünstig möglich ist. Dazu müssen jedoch entsprechende Kompetenzen in der Familie und in Schulen vermittelt werden, im Setting generell sowie über ein Schulfach Ernährungs- und Verbraucherbildung. Helga Cvitkovich-Steiner von Gourmet gab zu bedenken, dass Essen und insbesondere Lieblingsgerichte sowohl bei Schülern als auch bei Senioren Sicherheit vermitteln und ein Hinwenden zu Neuem für viele Menschen ein Verlassen der Komfortzone bedeutet. Vielfalt muss demnach mehrheitsfähig sein und leistbar bleiben. (Schluss)
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