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Hard, 17. März 2023 (aiz.info)

Klimawandel macht auch Österreichs Seenfischern sehr zu schaffen

Gesamtfänge seit Jahren rückläufig

Die Berufsfischerei ist in Österreich eine landwirtschaftliche Spezialsparte und blickt auf eine lange Tradition zurück. Rund 70 Berufsfischerinnen und -fischer bewirtschaften aktuell die heimischen Seen nachhaltig im Neben- oder Haupterwerb. Sie fangen jährlich ca. 200 - 250 t Fische. Die Gesamtfänge sind seit Jahren rückläufig. Um die aktuellen Herausforderungen wie die Klimakrise, die eine Änderung der Fischartengemeinschaft der Seen vorantreibt, zu meistern, braucht es künftig eine verstärkte Zusammenarbeit und Stärkung der Seenfischerei, so der einhellige Tenor bei der zweitägigen Seenfischertagung am 6. und 7. Februar 2023 im Landesfischereizentrum in Hard bei Bregenz.  
 
Nikolaus Schotzko, Leiter des Landesfischereizentrums, eröffnete die Tagung mit einem hochinteressanten Vortrag zum Bodensee-Obersee und der Fischartengemeinschaft sowie deren fischereilicher Nutzung. Einzigartig sind die fischereirechtlichen Regelungen am Obersee, der allseits unter dem Namen Bodensee bekannt ist. Das Hoheitsgebiet der drei Anrainerstaaten erstreckt sich vom Ufer seewärts bis in eine Wassertiefe von 25 m - dieser Bereich wird allgemein als "Halde" bezeichnet. Jenseits der Halde liegt der "Hohe See". Dabei handelt es sich um ein internationales Gewässer ohne Staatsgrenzen. Hier wird die Fischerei grundsätzlich überall von allen Anrainerstaaten gemeinsam betrieben. Voraussetzung dafür ist natürlich eine entsprechende Erlaubnis von einem Fischereiberechtigten der Halde. Die fischereilichen Bestimmungen werden von der Internationalen Konferenz der Bevollmächtigten für die Bodenseefischerei (IBKF) beschlossen. Das geht zurück auf die Bregenzer Übereinkunft von 1893. Derzeit gibt es noch neun Berufsfischer am österreichischen Bodenseeufer, insgesamt sind es 65 am gesamten Obersee. Am Bodensee gibt es eine über 100 Jahre umfassende Fischereistatistik. Ein wahrer Datenschatz, der aber leider in eine traurige Richtung weist. Mit 21,6 t erzielten die neun Vorarlberger Berufsfischer 2022 nach einem vorübergehend wieder etwas höheren Ertrag 2020 (36,4 t) das zweite Jahr in Folge schlechteste Fangergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen. Dieses Ergebnis liegt 17,3 t (bzw. 44,5%) unter dem 10-Jahres-Mittel (38,9 t).
 
Vom traditionell wichtigsten Wirtschaftsfisch der Berufsfischer, dem Felchen (Reinanke), wurden nur noch 1,9 t angelandet. Diese Menge ist weniger als 10% des 10-Jahres-Mittels (19,6 t) und bedeutet einen neuerlichen Rückgang um 79% im Vergleich zum Vorjahr (8,8 t). In den zehn Jahren vor dem ersten massiven Fangeinbruch 2012 betrug der Anteil der Felchen am Gesamtertrag nie unter 60%. Die Gründe für Veränderungen in der Fischartengemeinschaft sind vielfältig und betreffen beispielsweise die geringen Nährstoffe im See, steigende Wassertemperaturen, eine verringerte vertikale Zirkulation, die Ausbreitung von gebietsfremden Tierarten sowie den großen Bestand an Kormoranen.
 
Gebietsfremde Tierarten wie die Quagga-Muscheln und die Stichlinge waren Thema des Vortrages von Piet Spaak von der Abteilung aquatische Ökologie der EAWAG Schweiz. Er forschte langjährig im Rahmen des Projektes "SeeWandel: Leben im Bodensee - gestern, heute und morgen" (Projektwebpage: seewandel.org). Der Stichling, der im Bodensee seit 2013 das Freiwasser dominiert, ist Nahrungskonkurrent der Felchen und frisst zudem deren Eier und Larven. Die Quagga-Muschel, die sich in kürzester Zeit (seit 2016) massiv ausgebreitet hat, besiedelt den gesamten Seegrund bis in die größte Tiefe (251 m), bindet Nährstoffe und verändert so das Nahrungsnetz im gesamten See. Um einer Verschleppung von gebietsfremden Arten vorzubeugen, müssen zum Beispiel Boote vor dem Einbringen in andere Gewässer gründlich gereinigt werden, zumindest ist eine Trocknung notwendig. Dasselbe gilt für Angel- und Tauchausrüstungen. Eine breite Öffentlichkeitsarbeit v.a. bei Freizeitsportlerinnen und -sportlern ist hier gefragt.
 
Zum Themenbereich Förderungen im Europäischen Meeres-, Fischerei- & Aquakulturfonds (EMFAF) 2021-2027 und Stromkostenzuschuss Landwirtschaft informierte Melanie Haslauer von der Landwirtschaftskammer NÖ. Die wichtigsten Fischparasiten der Bodenseefische und ihre komplexen Lebenszyklen wurden vom Fischereibiologen Roland Rösch thematisiert.
 
Fischereimeister Nikolaus Höplinger, Berufsfischer am Wolfgangsee und Obmann der Österreichischen Seenfischer, gab einen Überblick zur aktuellen Situation der österreichischen Berufsfischerei. Besonders schmerzlich ist, dass der aus 11 Berufsfischern bestehende Fischereiverband Neusiedler See seine Tätigkeit aufgrund der prekären Situation am Neusiedler See Ende 2022 einstellen musste. Know-how und ein großer Erfahrungsschatz gehen hier verloren. Ausführlich wurde diskutiert, wie man die Berufsfischerei stärken kann. Gefragt ist mitunter eine verstärkte österreichweite Zusammenarbeit und eine Bündelung der Kräfte über den Dachverband für Fischereiwirtschaft und Aquakultur.
 
Der zweite Veranstaltungstag stand ganz im Zeichen der Praxis und gab hinreichend Möglichkeiten zur Diskussion. Drei Betriebsbesichtigungen standen am Programm. Zuerst wurde die Fischbrutanstalt im Landesfischereizentrum besichtigt, welche vom Land Vorarlberg betrieben wird. Jedes Bundesland bzw. jeder Kanton am Bodensee betreibt eine eigene Brutanstalt. In Summe sind es sechs Anlagen. Bereits vor 120 Jahren hat man hier Felchen erbrütet. Fischereimeister Philipp Roschmann führte durch die Anlage und zeigte alle technischen Details. Hauptsächlich werden hier Felchen, Äschen, Nasen, Seeforellen und Bachforellen für den See und die Fließgewässer erbrütet und aufgezogen.
 
Danach ging es weiter zu "Fränzle´s Fischerei" von Franz Blum Jr. und Julia Hollenstein. Das betriebseigene Bootshaus mit Fischverkauf ist mit einer Seeterrasse für Gäste ausgestattet. In der Hauptsaison sind alle fast rund um die Uhr im Einsatz, um die Gäste mit frischem Bodenseefisch versorgen zu können. Zu Anschauungszwecken gab es eine große Fischreuse, das sogenannte Trappnetz, das am Bodensee eingesetzt wird, zu bestaunen. Für den Gaumen wurde ein ausgezeichneter geräucherter Bodenseewels serviert.
 
Zu guter Letzt wurde der Fischereibetrieb Kaulitzki in Wasserburg (Bayern, Deutschland) besichtigt. Der Familienbetrieb von Bernd und Karin Kaulitzki hat sich auf die Verarbeitung von Weissfischen spezialisiert. Rotaugen-Filets werden geschröpft (in 2 mm Abständen eingeschnitten) erfolgreich vermarktet. Zu verkosten gab es Rotaugen, die zu Matjes oder eingelegten Bratfischen verarbeitet wurden. Herrliche Köstlichkeiten, die neue Perspektiven in der Fischveredlung aufzeigten.
 
Nach den intensiven zwei Tagen war eines ganz klar: Berufsfischerinnen und -fischer sind aus Leidenschaft am Werk und haben mit komplexen Herausforderungen zu kämpfen. Der fachliche Austausch, auch über Ländergrenzen hinweg, gibt wertvolle Impulse zur Lösungsfindung. (Schluss)
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