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Hohenems, 28. November 2022 (aiz.info)

7. Vorarlberger Agrarforum zum Thema Herausforderung Klimaschutz

Mit Bioökonomie aus der fossilen Sackgasse

Ende vergangener Woche fand das siebte Vorarlberger Agrarforum im Bäuerlichen Schul- und Bildungszentrum (BSBZ) in Hohenems statt. Rund 90 Besucherinnen und Besucher aus Politik, Verbänden und Vereinen aber auch Privatpersonen, die sich mit dem Thema Umwelt und Klima befassen, waren mit dabei. Ganz erfreulich war auch die Teilnahme einer Schulklasse des BSBZ. Das Agrarforum stand unter dem Titel: "Herausforderung Klimaschutz - Mit Bioökonomie aus der fossilen Sackgasse. Die Klimakrise kennt keine Pause." Dazu hatte die Landwirtschaftskammer (LK) Vorarlberg und der Biomasseverband Vorarlberg hochkarätige Referenten eingeladen, die sich nach ihren Vorträgen im Rahmen einer Podiumsdiskussion auch den Fragen der Besucherinnen und Besuchern stellten.
 
Gastgeber LK Vorarlberg-Präsident Josef Moosbrugger zur Eröffnung des Agrarforums: "Unsere Waldpflege und Waldnutzung ist seit Jahrzehnten nachhaltig, die Waldfläche und der Holzvorrat nehmen stetig zu. Würde der Wald überall so enkeltauglich und nachhaltig bewirtschaftet werden wie in Österreich, bräuchte man sich über seine Zukunft keine Sorgen zu machen. Wald und Holz sind im Kampf gegen den Klimawandel echte 'Game-Changer'. Durch den Holzbau wird CO2 langfristig gespeichert, zusätzlich werden klimaschädliche Baustoffe und Energieträger ersetzt, das bringt weiter CO2-Vermeidungen und verbessert die Aktivbilanz im Kampf gegen den Klimawandel. Ohne Ausbau der energetischen Nutzung aus Holz ist die höchst notwendige Energiewende nicht zu schaffen. Holzenergie aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist CO2 neutral. Bei der Verbrennung entsteht nur so viel CO2 wie der Baum beim Wachstum aufgenommen hat. Zusätzlich ergeben sich durch den Ersatz von Heizöl und Erdgas große CO2 Vermeidungseffekte. In Vorarlbergs Wäldern haben wir noch viel nachhaltig nutzbares Zuwachspotenzial, das zur Klimaneutralität beitragen kann. "Mit den jüngsten EU-Beschlüssen könnte aber das Gegenteil eintreten: ein Stopp des weiteren Ausbaues von Fernwärme und Holzbiomasse sowie Versorgungsprobleme für bestehende Anlagen. Regionales Bemühen darf nicht durch widersprüchliche Strategien auf Brüsseler Ebene konterkariert werden. Die Erneuerbaren Ausbaurichtlinie, Nutzungsverbote und andere die Versorgung einschränkende EU Strategien müssen vor dem Hintergrund der weltpolitischen Veränderungen und Krisensituationen zwingend angepasst werden. Die EU muss aus ihrem Elfenbeinturm heraus. Es kann nicht sein, dass Atom und Gas als grün und nachhaltige Holznutzung als klimaschädlich deklariert werden. Wir fordern daher eine klare Positionierung von Ministerin Leonore Gewessler in den jetzt kommenden Verhandlungen auf Brüsseler Ebene für die nachhaltige Waldnutzung. Unsere regional verfügbare, nachwachsende Energiequelle Holz muss zur Erreichung der CO2 Neutralität genutzt werden."
 
Referate
 
Andreas Jäger: Der Meteorologe arbeitet für Radio und Fernsehen und ist Autor von populärwissenschaftlichen Büchern sowie Vortragender zum Thema Klimawandel.
 
"Der Vorarlberger Regenrekord vom vergangenen Sommer war kein Zufall. Die Wetterstation in Bregenz registrierte am 19. August sintflutartigen Regen mit noch nie dagewesenen 212 Litern pro Quadratmeter, begleitet von Überschwemmungen und Muren - zum Glück waren die Feuerwehren gewarnt und gut vorbereitet. Der menschengemachte Klimawandel ist unzweifelhaft da und muss gestoppt werden, solange seine Auswirkungen noch verkraftbar sind. Dazu braucht es zwei Maßnahmen: Zum einen muss die Verbrennung fossiler Brennstoffe gestoppt werden, der Atmosphäre darf kein zusätzliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) zugeführt werden. Zum anderen müssen wir aktiv den CO2-Müll der vergangenen 150 Jahre aus der Atmosphäre schaffen. Dazu kann und wird die Landwirtschaft einen ganz entscheidenden Beitrag leisten: Sie wird über die Produktion von Pflanzenkohle den Kohlenstoff aus der Luft in die Böden befördern und diese wiederaufbauen, sie fruchtbarer machen. Damit wird die Landwirtschaft einen wichtigen Teil zur Lösung der Klimakrise beitragen."
 
Hubert Röder: Er leitet an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf das Fachgebiet Betriebswirtschaftslehre nachwachsender Rohstoffe.
 
Röder beschäftigt sich intensiv mit Wirtschaftlichkeit und Management nachwachsender Rohstoffe. "Der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft kann auf verschiedene Weisen zum Klimaschutz beitragen, insbesondere durch Emissionsminderungen und die Erhaltung und Verbesserung von Kohlenstoffsenken und -beständen. Nachhaltige Waldbewirtschaftung und Verwendung von Holz leisten nachweislich mehr für unser Klima wie ideologisch verklärte Stilllegungen. Bioökonomie und Bioenergie sind unverzichtbar, um zu einer nichtfossilen, grünen Wirtschaft zu gelangen. Die Verwendung von land- und forstwirtschaftlichen Rohstoffen, insbesondere von Holz und holzbasierten Erzeugnissen, anstelle von Rohstoffen aus fossilen Energieträgern stellt eine wichtige Klimaschutzleistung dar. Die Bewirtschaftung von Wäldern entsprechend den in Mitteleuropa gültigen Waldgesetzen führt zudem zu einer Steigerung der Artenvielfalt und Biodiversität gegenüber ungenutzten Wäldern. Überdies bietet die nachhaltige Nutzung des Waldes regionale Wertschöpfung, sichert Arbeitsplätze und liefert mit dem Rohstoff Holz die Basis für eine nachhaltige, regionale und kreislauforientierte Bioökonomie. Ein wichtiger Teil der Energie und Klimawende muss es sein, dass der Holzbau und die Holzverwendung massiv forciert werden. Wohnraum muss aus Holz (100%) geschaffen werden, Bioökonomie und erneuerbare Holzenergie muss ein wesentlicher Teil der ganzheitlichen, nachhaltigen Energieversorgung werden. In der Wirtschaft muss die Substitution fossiler Energieträger und Rohstoffe durch Holz (nachhaltige Bioökonomie) vorangetrieben werden. Die Ökosystemleistungen des Waldes (CO2, Wasser, Tourismus, Erholung etc.) müssen langfristig erhalten bleiben. Das reduziert den CO2 Ausstoß und schafft Beschäftigung und Wertschöpfung im ländlichen Raum. Nicht die Stilllegung, sondern der Umbau und die Aufforstung von Wäldern ist zukunftsfähig."
 
Christian Vögel: Der Fachbereichsleiter Energie und Klimaschutz im Amt der Vorarlberger Landesregierung stellte die Strategie Energieautonomie+ 2030 des Landes Vorarlberg vor.
 
"Bis zum Jahr 2050 soll der komplette Energiebedarf des Landes mit erneuerbarer Energie abgedeckt werden. Etappenziele bis 2030 sind eine 100% erneuerbare Stromversorgung und 50% Anteil erneuerbare Energieträger am Endenergiebedarf. Neben dem weiteren Ausbau der Wasserkraft und der Photovoltaik soll auch die energetische Nutzung von Biomasse einen wichtigen Beitrag leisten. Im Rahmen des Leuchtturmprojekts 'Erneuerbare Wärme für Vorarlberg' soll der Ausbau von Nahwärme mit Biomasse als wichtigem Energieträger v.a. in Ballungsräumen dabei helfen, einen planvollen Umstieg von Öl und Gas auf erneuerbare Energieträger zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser sicherzustellen. "Agrar- und Forstwirtschaft stellen Biomasse für die energetische und stoffliche Nutzung bereit, womit fossile Energieträger ersetzt werden können."
 
Podiumsdiskussion
 
Nach den Referaten stellten sich im Rahmen einer kurzen Podiumsdiskussion die Referenten gemeinsam mit Moosbrugger, Landesrat Daniel Zadra, Energieunternehmer und Obmann des Biomasseverbandes Tobias Ilg sowie Stephan Phillip aus dem Bereich Fachökologie des Landes Vorarlberg den Fragen des Publikums. Der einstimmige Tenor war, dass man endlich vom Reden ins Tun kommen muss. Die Ursachen des Klimawandels sind bekannt, die Lösungen auch, aber die Umsetzung kommt nicht richtig in Schwung. Gerade in der Land- und Forstwirtschaft wird großes Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel gesehen. Hier sieht der Meteorologe Jäger die realistische Möglichkeit den CO2 Ausstoß komplett zu vermeiden. "Die Land- und Forstwirtschaft ist der Königsweg im Kampf gegen den Klimawandel", so Jäger. Moosbrugger sieht die Potenziale aber auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung. "Solange wir es nicht schaffen die Kostenwahrheit hinter all unseren Handlungen, wie z.B. beim Heizen, Bauen aber auch Essen und Trinken, zu realisieren und uns der wahre Preis, damit meine ich die Einflüsse auf die Umwelt durch weite Transporte etc., für unsere Handlungen nicht bewusst werden, bleibt die Umsetzung schwierig." Beindruckend war auch das große Interesse von Schülerinnen und Schülern des BSBZ, welche die Gelegenheit nutzten, ihre Fragen zum Klimaschutz an die politisch Verantwortlichen zu richten. Nach gut vier Stunden endete das hochinformative Vorarlberger Agrarforum. (Schluss)
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